Das Team um den Architektur-Professor Frank Hülsmeier an der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) hat auf dem Weg zur Energiewende ganze Arbeit geleistet:
„Aufgrund der fortschreitenden Verstädterung und der notwendigen Entlastung der Stromnetze muss Energie künftig im urbanen Raum erzeugt werden – also dort, wo sie verbraucht wird. Damit rückt auch die Stromerzeugung über Photovoltaik (PV) an Fassaden zunehmend in den Fokus. Mit Standard-PV-Modulen ist es jedoch derzeitig kaum möglich, im städtischen Gefüge auf individuelle Standort- und Gestaltungsvorgaben zu reagieren“, analysiert Prof. Hülsmeier. „Im Gegensatz zu gängigen Produkten setzt die parametrisch optimierte Solarfassade Solar.shell auf kleinformatige PV-Module, die sich maßstäblich flexibel in Fassaden integrieren lassen“, soweit Hülsmeier.
Optimierter Ertrag bei vielerlei Gestaltungsmöglichkeiten
Je nach Blickwinkel werden die kleinformatigen Module zu unterschiedlichen räumlichen Designelementen, die wiederum
ein streng strukturiertes Gesamtbild von hoher und geringer Dichte, Licht und Schatten, Richtung und Dynamik ergeben.
Um einen optimalen Ertrag je Kilowatt Modulleistung zu erreichen, werden die Solarelemente schon im architektonischen Entwurfsprozess bestmöglich zur Sonne ausgerichtet, und gleichzeitig die Eigenverschattung der nebeneinander angeordneten 3-D-Kassetten reduziert. Angewendet wurden dazu parametrisch-generative Computerberechnungen mit einem Algorithmus, den Hülsmeiers Wissenschaftsteam Stephan Huth und Adrian Haller entwickelt haben. Er errechnet, wie groß die Einzelelemente sein müssen und wie die Module optimal angeordnet sein müssen.
Die PV-Module nehmen nicht die komplette Fassadenfläche des Gebäudekomplexes ein, sondern haben auf der Südseite einen Anteil von 37 % aktiver Solarfläche, an der Westseite sind es 20 % (bezogen auf die gesamte, in die Ebene projizierte Ansichtsfläche ohne Fenster). Dadurch eröffnete sich die Möglichkeit, mit dem weiteren Fassadenmaterial auf die angrenzenden Produktions- und Lagerhallen des Firmengebäudes gestalterisch einzugehen.
Sonderpreis für Nachhaltigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums
Auf Grund der vorbildlichen Weise, neue Technologien in konkrete Anwendungen zu bringen und damit echten Mehrwert für den Klima- und Umweltschutz zu schaffen, erzielte die Forschungsgruppe der HTWK Leipzig den 3. Platz beim Sonderpreis Nachhaltigkeit des Innovationspreises Reallabore 2022.
Kleine Module bringen hohen Ertrag
So wurden die rechnerischen Annahmen und Ertragserwartungen der ersten sechs Betriebsmonate in der Praxis bestätigt. In dieser Zeit deckte die Aluform-Fassade im Mittel 14 % des Strombedarfs im Gebäude. Einschließlich einer Wärmepumpe sowie einer Wallbox für elektrische Firmenfahrzeuge.
Denn die Silizium-Halbzellen in den Modulen erreichen einen Wirkungsgrad von 20 %. Insgesamt sind die Süd- und Westfassade mit einer Leistung von 10 kW auf einem Normertrag von 7.070 kWh pro Jahr projektiert. Mit einem Anteil von 30 % an der gesamten PV-Fläche erwirtschaftet z. B. die Westfassade 18 % des Gesamtertrags.
Verarbeitungstechnik auf hohem Niveau
Wenn es um komplexe 3-D Planungsprozesse, präzise maschinelle und handwerkliche Fertigkeit und Erfahrung geht, ist der Aluminiumverbundplatten-Verarbeiter Aluform erste Wahl. Nicht umsonst wurde hier das System Solar.shell erstmalig in der Praxis geplant und ausgeführt.
Solar.shell ist eine auf einer Aluminium-Unterkonstruktion vorgehängte hinterlüftete Fassade (VHF). Das 4 mm starke Alucobond-Verbundmaterial lässt sich durch einseitiges maschinelles Fräsen zu komplexen dreidimensionalen Kassetten falten. Dadurch entstehen Öffnungen, auf denen die Glas-Folien-Solarmodule mit einem Aluminium-Winkelrahmen montiert werden.
Für diese Konstruktion erteilte die Landesstelle für Bautechnik im Regierungspräsidium Tübingen eine kombinierte Zustimmung im Einzelfall (ZIE) mit vorabbezogener Bauartgenehmigung (vBG). Die ZIE war für das Solarmodul notwendig, weil es sich um ein Elektroprodukt handelt. Die vBG gilt für die Verklebung des Glas-Folien-Solarmoduls unter Verzicht auf eine mechanische Sicherung.
Optimierungspotenzial senkt die Kosten
„Die Gesamtkosten der ersten Solar.shell-Fassade bei uns in Bad Rappenau konnten aus Zeitgründen nicht optimiert werden. Inzwischen wurden die Verarbeitung und Montage in Zusammenarbeit mit dem Alucobond-Hersteller 3 A Composites in Singen derart weiterentwickelt, dass die Kosten des Solar.shell-Systems künftig im Bereich marktüblicher hochwertiger Fassaden liegen wird,“ resümiert Tim Friedrich, Geschäftsführer und Inhaber der Aluform, Alucobond-Verarbeitungsgesellschaft in Bad Rappenau-Bonfeld.
Download PDF-Dateien
Bildnachweise: Foto oben © Stefan Huth; Foto links © Frank Hülsmeier; Foto rechts © Timo Schmidt
Comments